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AutorenbildAline

Überraschung

Aktualisiert: 18. Juni 2019

Ich befinde mich gerade in der letzten Märzwoche, was bedeutet, dass bald „respite“ anfängt. Das ist etwa so wie Osterferien. Viele students gehen nach Hause, da keine Schule und auch keine Workshops stattfinden. Dafür ist es umso schöner mehr Ausflüge zu machen mit den students, die sozusagen noch übriggeblieben sind. Manchmal fahren wir dann an den Strand, in einen Park, ins Kino, in einen Supermarkt oder zu einer Burg. Ich genieße diese Ausflüge sehr, da ich mehr von Schottland sehe und die Umgebung näher kennenlerne und es natürlich auch Spaß macht.

Das Wetter wird hier auch immer besser und vorallem die Dauer der Helligkeit. Der Winter brachte uns die Dunkelheit schon um kurz nach drei und jetzt fängt es erst um halb sieben an zu dämmern, was für alle besser ist. Manche students mögen die Dunkelheit nicht, viele sind viel besser gelaunt durch das lange Tageslicht und Abendaktivitäten können draußen stattfinden.

Wie ich mich hier fühle kann man eher gemischt betrachten. Es kommt immer auf den Aspekt an, denn es macht einen Unterschied ob man Arbeit, Kollegen, Freunde, students oder den Kontakt mit Deutschland betrachtet. Im Allgemeinen geht es mir gut, jedoch gibt es in letzter Zeit mehr Hochs und Tiefs. Zudem sind es nun die letzten vier Monate und ich versuche gar nicht an das Ende des Jahres zu denken, sondern eher im Hier und Jetzt zu leben, da jeder Tag noch schöne Erinnerungen bringen kann und jeder Tag jede Freundschaft noch mehr festigen kann, aber es fällt mir nicht immer leicht. Und da sind wir glaube ich auch schon bei dem schwierigsten Punkt angekommen und zwar zu realisieren, dass es niemals mehr so sein wird wie es jetzt ist. Die Kombination aus Menschen, Kollegen, Freunden, students. Aber das Leben geht weiter und ich kann sagen, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass mir die Möglichkeit besteht das Camphill nochmal zu besuchen und ich die Möglichkeit auch nutzen möchte.

Ich fühle mich trotz, dass ich mit meiner Familie skypen und telefonieren kann, etwas abgeschottet von Zuhause. Aber auf der anderen Seite ist das ja logisch, da ich mein eigenes Leben hier oben führe, was meiner Meinung nach in keiner Weise mit dem Zuhause zu vergleichen ist. Das Gleiche gilt für Freunde von Zuhause. Ich versuche mein Bestes mit meinen engsten Freunden von Zuhause Kontakt zu halten, was manchmal aufgrund meiner langen Arbeitstage nicht ganz so gut gelingt. Lange Arbeitstage ist ein weiterer Punkt, welcher mich manchmal dazu bringt mich zu fragen ob elf Stunden arbeiten nicht zu viel ist. An sich sehe ich kein Problem, sondern eher Logik dahinter. Zum einen sollte der Tag um neun enden, denn die students früher zu Bett zu bringen ist echt nicht fair und zum Anderen leben wir zusammen mit Ihnen und unterstützen sie bei gewissen Dingen, was nicht immer als harte Arbeit angesehen werden kann. Dennoch kommt es immer auf den Aufwand an, den man in die Arbeit reinsteckt.

Wenn der Aufwand erschöpfend ist, da alles Zeit braucht, wenn man beispielsweise jemandem Schuhe binden beibringen will, dann ist es mehr erschöpfend wenn Andere mit derselben Person keinen Aufwand betreiben und man das Doppelte ableisten muss, beziehungsweise will, da man den student weiterbringen möchte. Dabei sehe ich Kommunikation zu meinen Kollegen als gutes Mittel um Informationen zu transferieren, aber auch die Akzeptanz, dass keiner so ist, wie man selbst ist und auch, dass man Keinen so formen kann wie man selbst ist. Auf der anderen Seite ist es umso besser, dass jeder verschiedene Eigenschaften hat und charakterlich unterschiedlich ist, da man dadurch von anderen Menschen lernen kann und sich selber weiter entwickeln kann.

Ich habe gemerkt, dass die Verbindung zu den zwei Bewohnern, mit denen ich hauptsächlich arbeite um einiges besser geworden ist. Da einer von beiden nonverbal ist und Kommunikation bei ihm hauptsächlich über kleine Symbole, Fotos und eine Art Zeichensprache funktioniert, ist es umso angenehmer, wenn er deine Stimme kennt und auf deine Stimme hört. Ich finde es superinteressant, dass es auf die Stimme und die Melodie ankommt, die man verwendet um etwas zu kommunizieren. Ich habe einmal den Satz: Kannst du deinen Rucksack vernünftig aufsetzen?, den ich des Öfteren zu ihm sage, meistens in der gleichen Tonlage mit der gleichen Melodie gesagt. Kein Wunder, er hat es verstanden. Dann habe ich den gleichen Satz in der gleichen Tonlage und Melodie gesagt, aber diesmal auf deutsch. Und er hat es verstanden und hat es gemacht. Ich habe beide Sätze in der gleichen Situation gesagt und auch nicht direkt hintereinander, sondern, wenn es gerade angebracht war. Das Interessante ist aber, dass ich den Satz in einer für ihn unbekannten Melodie und einem unbekannten Rhythmus auf englisch sagte und er es nicht verstanden hat. Ich sehe das natürlich nicht als Beweis, sondern eher als Annahme, dass es auf die Stimme, die Melodie und den Rhythmus ankommt. Aber trotzalledem finde ich es sehr interessant, wie sich meine Stimme bei ihm eingeprägt hat und auch wie gut er hört, wenn ich seinen Namen sage. Zusammenfassend hat sich die Beziehung von mir zu den students langsam, aber sicher aufgebaut und ich sehe einen großen Fortschritt, was mir auch hilft die Arbeit einfacher zu gestalten, da ich jeden besser kenne, als noch in den den ersten Monaten und so gehen einst schwierige Situationen einfach so von der Hand.

Um nochmal auf die langen Arbeitstage zurückzukommen. Ich sehe auf den ersten Blick kein Problem dahinter, aber sobald ich dann etwas in meiner Freizeit machen möchte wird es dann schwierig. Denn diese fängt ab neun Uhr abends an und wird zeitlich eingeschränkt, da ich ja auch noch genügend Schlaf bekommen möchte. In meiner Freizeit spiele ich etwa zweimal pro Woche Volleyball, mache Yoga und außer Sport machen wir ab und zu Spieleabende und auch Nächte, wo wir auf Partys gehen und mal in einen Pub in der Stadt. Ich versuche immer mein Bestes um etwa acht Stunden Schlaf zu bekommen, was nicht immer klappt. Das bedeutet Organisation, also Planung meiner Freizeit. Bis jetzt hat es mehr oder weniger funktioniert, vorallem in den Wintermonaten gab es viele Tage, wo man einfach nur von Müdigkeit überkommen war und trotzdem versuchen musste wach zu wirken, was nicht immer einfach ist.

Aber dann kommt es auch auf den Tag an, im speziellen welche Kollegen arbeiten und was auf dem Stundenplan steht. Jedoch kann schon ein kleines Lächeln von einem student so viel bewirken, dass sich die eigene Laune direkt ins Positive ändert. Klar ist es auch so wenn jemand nicht so gut drauf ist und sich diese Laune auch abfärbt, aber nicht so stark wie positive Energie eines Menschen. Ich habe in letzter Zeit auch angefangen meine positive Energie gegenüber der Erde aufzubauen und mehr auf Nachhaltigkeit, Recycling und Plastikverbrauch zu achten (wow, was eine krasse Überleitung). In Aberdeen gibt es sehr viele Charityshops, bei denen das Konzept einfach daraus besteht, dass man Kleidungsstücke in den Laden bringt, die einem nicht mehr gefallen oder passen. Diese Kleidungstücke werden dann im Laden für viel günstiger wieder verkauft und das Geld wird gespendet. Ich schaue immer mal wieder in den Läden vorbei, da man ab und zu echt Glück hat und schöne, qualitativ hochwertige Sachen für günstig Geld bekommt. Außerdem kaufe ich mir mein Shampoo selber, obwohl Shampoo etc. vom Haus gestellt wird, da ich eines ohne Verpackung kaufe und auch bei der Zahnbürste habe ich auf eine Kompostierbare gewechselt. Zudem trinke ich viel Leitungwasser, was in Schottland nicht so der Wahnsinn ist, aber trotzdem gut ist und zwar in kleinen wiederauffüllbaren Glasflaschen. Zudem ist hier die Mülltrennung etwas anders als in Deutschland, da zwischen Bio, Recycling und Nichtrecycling unterschieden wird, worauf ich versuche auch mehr zu achten. Zudem sind auch einfache Sachen, wie die Heizung seltener benutzen, was bei meinem noch undichten Fenster noch nicht möglich ist und beim Shoppen kein Plastiktüten kaufen, den Bus nehmen anstatt das Auto, Licht ausschalten, wenn es nicht nötig ist, wenig online bestellen etc. Ich versuche darin einen Anfang zu machen, aber im Allgemeinen hilft mehr, wenn viele Leute einen kleinen Anfang machen, anstatt, dass nur ein paar Menschen perfekt nachhaltig leben.

Um terminlich zurückzublicken gab es eine spannende Sache in der Mitte des Monats März, welche ich schon im November letzten Jahres geplant hatte und somit mir eine lange Wartezeit bevorstand. Ich habe nämlich einen Flug nach Frankfurt gebucht und von Frankfurt wieder nach Aberdeen. Das bedeutete für mich ab nach Hause, wo doch keiner zuhause etwas wusste. Unauffällig habe ich nachgefragt, was meine Familie an dem Wochenende so vor hat, da es unter anderem der Geburtstag meiner Mama war und ahnungslos wurde mir geantwortet. Bei meinen Freunden habe ich mich informiert, aber sonst gehofft, dass meine restlichen Verwandten und Bekannten auf dem Geburtstag auftauchen. Mir bestand dann die Chance ein paar ahnunglose Menschen, die ich sehr gerne habe zum Stillstand, Schweigen, Weinen und Freude zu bringen. Ich kann sagen, dass alles gelungen ist. Für mich war mein längstes „von zuhause weg“ gerade mal zwei Wochen und dann nach acht Monaten sich wiederzusehen ist echt schön, obwohl ich sagen kann, dass ich bis jetzt kein Heimweh hatte. Es war eine kurze, aber wunderschöne Zeit zuhause und die Reaktionen waren beeindruckend. Es war aber auch erschöpfend durch den Flug und soviel Aufmerksamkeit und so große Pläne in einer relativ kurzen Zeit. Insgesamt war alles sehr ungewohnt, aber trotzdem altbekannt, was ein seltsames Gefühl in mir ausgelöst hat. Es war schön zuhause, ich durfte nochmal Auto fahren, Brot aus einer Bäckerei essen und nochmal in den Dm gehen. Aber es war seltsam, dass alle Leute um mich herum deutsch gesprochen haben, was für mich wie eine Geheimsprache in Schottland ist, wenn ich in der Stadt bin, da mich keiner wirklich versteht. Trotz, dass ich am Sonntag Deutschland wieder verlassen musste, habe ich mich auf Schottland gefreut, was meiner Meinung nach ein gutes Zeichen ist. Da ich hier in Schottland fast nur englisch spreche, hab ich in manchen Momenten die Sprache echt satt und möchte lieber deutsch sprechen, aber im Allgemeinen kann ich mich glücklich schätzen die Sprache so gut praktizieren zu können.

Im April bekomme ich Besuch von meinen Eltern und meiner Schwester, wenn der Brexit nicht dazwischen kommt und dann fahren wir mit dem Auto ein bisschen herum und machen ein Schottland-Roadtrip. Letzte Woche bin ich mit einer guten Freundin zur Cruden Bay gefahren, was sich echt gelohnt hat, da die Aussicht traumhaft schön ist mit den Burgruinen, den Felsen und dem Meer. Mit dem Bus dauert es nur etwa eine Stunde und als wir mit dem Bus dort ankamen ist außer uns noch ein Mädchen in unserem Alter ausgestiegen und hat uns dann auf deutsch angesprochen, als sie uns deutsch reden gehört hat. Wir haben dann herausgefunden, dass sie auch zum New Slains Castle möchte und sind dann gemeinsam dorthin gegangen. Auf dem Weg haben wir uns drei nett unterhalten können bis wir dann an der Bucht angekommen sind. Als wir auf dem Rückweg waren, haben wir den Personalausweis von dem Mädchen gefunden, welche noch etwas weiter gegangen ist. Als wir sie dann noch gefunden haben und ihr dann ihren Perso wiedergegeben haben, war sie sehr dankbar und wollte uns noch auf einen Kaffee einladen. Wir sind dann gemeinsam zurückgegangen und haben den Bus ganz knapp noch erwischt. Als wir wieder in Aberdeen waren gab es noch einen Zwischenstopp bei Bar Burrito und dann hat sie es wirklich ernst genommen und uns noch ein Getränk bei the coffeehouse ausgegeben. Es ist immer wieder schön und interessant neue Menschen zufällig kennenzulernen.








Alles Liebe

Aline

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